Simon Z.

 

Für unseren kleinen

Simon

still geboren am

29. November 2002

Nur noch Trauer


Tränen, Wut und Leere;

Keine Freude mehr, nur noch Trauer.

Und die vielen Fragen ohne Antwort.

Warum musstest du sterben?

Was habe ich verkehrt gemacht?

Warum ausgerechnet du?

Ich habe kaum die Kraft zum Atmen.

Ich bin umgeben von Hoffnungslosigkeit.

Wie soll mein Leben ohne dich weiter gehen?

Hat alles noch einen Sinn?

Es ist so schwer das alles zu begreifen.

Wann wird es mir wieder besser gehen?

Und werde ich wieder Lachen können?

Bettina Schiller

Meine Geschichte


Es hatte eigentlich ganz gut angefangen. Als sich mein Sohn Leon vor drei Jahren anmeldete, waren wir zwar überrascht, wir hatten die Familienplanung nach drei Kindern schon abgeschlossen, haben uns aber riesig über unseren Nachkömmling gefreut. Eine Abtreibung haben wir nicht in Erwägung gezogen, denn ich denke, wenn man miteinander schläft, kann man auch die Verantwortung tragen. Da unsere Drei schon 17, 15 und 12 sind, haben wir beschlossen, unseren jüngsten nicht allein groß werden zu lassen. Im mai 2002 war es soweit, ich wurde schwanger und was mich freute, war der gleiche Geburtstermin wie von unserem Leon. Im Juni, drei Tage vor meinem Geburtstag, bekam ich Unterleibsschmerzen und Blutungen. Abends hatte ich das Gefühl aufs Klo zu müssen. Dort merkte ich dann, dass es abgeht. Ich hatte mich eingeschlossen und nur noch geweint. Da wir gerade im Urlaub waren, haben wir am nächsten Morgen die Sachen gepackt und sind auf dem schnellsten Weg nach Hause gefahren, um meinen Gynäkologen aufzusuchen. Er stellte eine Fehlgeburt in der 7. SSW fest. Also ab ins Krankenhaus zur Ausschabung. Dort tröstete man mich und sagte: „Die Natur richtet das schon.“ Besonders ein Arzt hat mir „Mut“ gemacht, in dem er sagte: „Trösten sie sich, meine Frau hat fünf Kinder und vier Fehlgeburten.“ Toll!

Nachdem ich mich einigermaßen von der Fehlgeburt erholt hatte, wurde ich ziemlich schnell wieder schwanger. Die Freude war verhalten, aber die 7. Woche ging rum und es war noch da. Je weiter die Schwangerschaft fortschritt, schöpfte ich immer mehr Hoffnung.  Ich machte meinen Arzt auf einen Ausfluss aufmerksam, aber er ignorierte das.

Da ich ja nun laut biologischer Uhr nicht mehr zu den Jüngsten zähle und die Ärzte gleich von Risikoschwangerschaft reden, machte ich alles mit, was „verlangt“ wurde: In der 12. SSW eine genetische Beratung, in der 15. SSW eine Amniozenthese. Ich ließ mich in den Bauch pieksen und mir vier Spritzen voll Fruchtwasser entnehmen (Man sagte mir vorher etwas von zwei Spritzen!). Außerdem haben diese Ärzte in der Klinik festgestellt, dass ich eine Infektion habe, die dann medikamentös behandelt wurde. Am Ende der 17. SSW kam es zu einem Jucken und Brennen im Intimbereich. Es war Wochenende und mein Arzt im Urlaub. An diesem Wochenende habe ich das erste Mal gespürt, dass es sich bewegt. Das erste und letzte Mal. Mein Mann sagte mir später, es wollte sich damit von uns verabschieden. In der darauffolgenden Woche ging ich also zu einem anderen Gynäkologen, der mir sagte, dass es sich um eine massive Mykose handelt und mir Medikamente gab. Aber er hat nicht nach dem Kindchen gesehen, was ich komisch fand. Im Nachhinein macht man sich viele Gedanke und Vorwürfe. Warum habe ich nicht nachgefragt? Warum bin ich nicht zum Wochenendnotdienst gegangen? Die Mykose ist nach vier Tagen abgeklungen, aber ich fühlte mich anders. ich kann es nicht beschreiben.

Da mein Arzt aus dem Urlaub zurück war und ich dieses Gefühl nicht los wurde, beschlossen wir hinzugehen und mich in einem Gespräch und per Ultraschall beruhigen zu lassen. Erst sagte er, ich brauche mir keine Sorgen zu machen, da passiert schon nichts, aber ich ließ nicht locker. Also machte er den Ultraschall. Im ersten Moment war ich froh, den Kleinen zu sehen. Aber er lag so komisch, so unnatürlich drin. Der Arzt meinte noch, dass er ihn nur wach machen muss, um zu messen, aber es tat sich nichts. Er bewegte sich nicht. Woran ich mich noch sehr gut (leider) erinnern kann, war, wie er sagte, er sieht keinen Herzschlag! Da war es aus mit meiner Fassung. Ich weinte laut los. WARUM ICH? Was habe ich getan, dass mich jemand so strafen will?

Also wieder Klinikaufenthalt, dieses Mal für vier Tage. Dort wurde noch der Doppler angeschlossen, um auch sicher zu gehen, dass es nicht mehr lebt. Bis dahin hatte ich noch gehofft, es wird gut, er hat vielleicht nur ein älteres Gerät. Aber es war TOT! Einfach tot. Ich kam in ein Einzelzimmer und war den Rest des Tages allein. Am Abend kam eine Ärztin, um mit mir den morgigen Tag zu besprechen. Ich fragte noch, warum sie es nicht gleich machen. Es quält mich, aber sie meinte, nachts ist nur eine Notbesetzung da und die brauchen sie für Notfälle. Es war eine kurze Nacht.

Am nächsten Morgen gegen 7 Uhr wurde die erste Tablette zur Einleitung der Wehen gelegt. Dann war ich wieder allein. Auf meine Frage, wie lange es dauern würde, wurde mir gesagt, dass es sicher erst morgen kommen würde. Gegen 10 Uhr wurde die zweite Tablette gelegt, die sofort zu wirken begann. ich hatte zwei Stunden volle wehen, die aber nichts mit normalen Wehen zu tun haben. Da es ja heute nicht kommen würde, bekam ich Mittagessen, es hat gut geschmeckt, Nudeln mit Hackfleischsoße. Das Baby kam fünf Minuten nach 12 Uhr. Ich war allein im Zimmer und konnte es mir ansehen. Es war ein kleiner Junge, etwas größer als meine Hand und vollkommen (Wie kann man da von einer Fehlgeburt reden, wo es doch ein vollkommenes Menschenkind ist? Nur weil es noch keine 500 Gramm wiegt?) Es war alles dran, große Füße, lange Fingerchen, kleine Öhrchen, die Augen waren geschlossen und ein schwarzer Flaum bedeckte sein Köpfchen. Ich hatte ihn fünf Minuten für mich, dann kam die Schwester, um das Mittagessen abzuräumen. Sie sah das Kindchen liegen und klingelte nach der Ärztin, die auch gleich angerannt kam. sie mussten dann erst noch Besteck suchen, um den Kleinen abzunabeln. Das war das erste und letzte mal, dass ich eine Hebamme zu Gesicht bekam. Sie kam rein ins Zimmer und zog ein Gesicht, als ob es ihr zuwider wäre, den Kleinen abzunabeln. Sie gab der Ärztin das Besteck und verschwand wieder. Der Kleine wurde abgenabelt und mit „zwei Fingern“ in einen Schieber gelegt. Dann kam das Schlimmste. Ich sollte mich auf den Schieber setzen, um die Nachgeburt hineingleiten zu lassen. Mir kommen die Tränen, wenn ich daran denken  muss. Als ich mich weigerte, wurde sie streng. Es ging sehr hektisch zu, denn die Nachgeburt kam nicht. Sie drückten auf meinen Bauch rum, was sehr schmerzhaft war und versuchten nebenbei Kanülen zu legen. Das war zu viel für mich. Ich zog die Hände weg und sagte unter Tränen, sie sollen mich in Ruhe lassen. Kanülen konnten sie nicht legen, sie fanden nichts und es wurde alles dick und blau. Nun musste das Essen wieder raus, mittels Schlauch. Die Oberärztin hielt den Schlauch, erbrach sich dabei fast selbst hinter mir und die Schwester versuchte das essen heraus zu bekommen. Sie waren so vertieft in ihre Arbeit, dass sie nicht merkten, dass mir die Luft knapp wurde. Voller Panik riss ich mir den Schlauch heraus, egal ob mit Nudeln oder ohne. Nachdem ich wieder Luft bekam, ging es in den OP, um die Gebärmutter „leer zu räumen“. Die restlichen zwei Tage im Krankenhaus war ich wieder allein. Da gab es keine Gespräche, nur der liebe Herr Doktor war wieder da, um mir zu sagen, dass alles gut werden wird, seine Frau hat fünf Kinder und vier Fehlgeburten! Baut das nicht auf? Auch eine Freundin von mir, die mich im Krankenhaus besuchte, meinte es „gut“ mit mir, in dem sie mir sagte, sie hätte es ja gleich gewusst, dass ich zu alt bin.

Am ersten Advent wurde ich „bei Wohlbefinden in die ambulante Betreuung“ entlassen. Zu Hause zog ich mich zurück, ließ niemanden an mich heran. Mein Mann versuchte mich zu trösten, aber Männer scheinen so etwas schneller und anders weg zu stecken. Also auch keiner zum Reden.

Ich bekam nicht einmal ein Bildchen von meinem Kind, es kostet schließlich Geld.

Bin ich Schuld? Ich gebe mir die Schuld! Über was ich oft nachdenke: Hätte es eine Chance gehabt, wenn ich zum Wochenendnotdienst gegangen wäre? Hätte ich energischer vorgehen müssen, was die Entzündung betrifft? Wurde zu viel Fruchtwasser entnommen?...Warum! Warum! Warum!

Die Antworten machen den Kleinen auch nicht wieder lebendig, aber wann hört es auf, im Herzen weh zu tun? Alle sagen, sei doch froh, du hast vier gesunde Kinder. Ich bin froh, aber was hat das mit dem Kleinen zu tun? Ich habe ein Kind verloren, was ich mir sehnlichst gewünscht habe. Wie geht es weiter. In der Gesellschaft wird es leider weggedrängt, man hat zu funktionieren, da ist für die Seele kein Platz!

Mein Sternchen Simon


Ein kleiner Stern ist heut erwacht.

Die Äuglein hat er niemals aufgemacht.

Das kleine Sternchen hat auch keinen Namen.

Simon heißt er, so wollten wir es haben.

Er ist ein Stern wie es keinen zweiten gibt.

Mein Patenkind, ich habe dich lieb.

Für mich wird es dich immer geben.

Denn in meinem Herzen wirst du weiter leben.

Mein kleiner Simon, ich denke an dich.

Aber es gibt da noch viel mehr, die haben dich sehr lieb.

Du bist mein kleiner Stern.

Und bist du noch so fern.

Ich werde immer an dich denken.

Könnte ich dir doch nur mein Leben schenken.

Ein kleiner Stern, der leuchtet heute Nacht für mich.

Und möchte mir einfach nur zeigen ...Hallo hier bin ICH.

Ich bin`s, dein Patenkind Simon und werde über dich wachen.

So wie es die großen Sterne auch mit mir machen.

In mir wirst du ewig leben mein kleiner Stern.


Ich werde dich nie vergessen, deine Patin Julia!